Noch eine Todsünde!
Stolz – aber worauf eigentlich?

Stolz

Hallo liebes EQ-Netzwerk!

Der Zorn-Beitrag letzte Woche hat mich in dem Zusammenhang mit dem dort verwendeten Begriff „Todsünde“ und einem kleinen Erlebnis auf eine Idee gebracht.

Es geht mir gar nicht darum, alle sieben Todsünden der katholischen Kirche (von denen sich fünf als stark emotional motiviert oder gar als Emotionen herausstellen) einzeln durchzudeklinieren – darauf komme ich vielleicht in einem anderen Blogbeitrag zurück.

Aber eine weitere – wie der letztwöchige Zorn tatsächlich ebenfalls eine Emotion! – soll uns heute beschäftigen.

Es geht um den Stolz und witzigerweise wurde meine damit verbundene Leitfrage vor ein paar Tagen von einem Teilnehmer in einem Beratungsprojekt während einer Pause in Worte gefasst.

Ein ebenfalls anwesender Vater erzählte sehr kongruent, wie stolz er auf das exzellente Abitur seines Sohnes sei und dass das ja auch klar war, denn der Apfel fiele ja bekanntlich nicht weit vom Stamm.

Woraufhin der oben erwähnte Teilnehmer in der Runde etwas provokant meinte, Papa solle sich nicht so haben, schließlich habe ja nicht er selbst das großartige Abitur gemacht.

Die anschließende kurze Diskussion kann als durchaus emotional bezeichnet werden.

Was mich zu meiner Frage bringt:

Worauf und auf wen sind wir eigentlich stolz und macht es überhaupt Sinn, auf JEMANDEN stolz zu sein?

Einige inspirierende Leitgedanken und weiterführende Fragen, die mir – wiederum durch die Bemerkung meines Teilnehmers inspiriert – durch den Kopf gehen, seien Euch heute als Denkanstöße ans Herz gelegt:

Los geht´s!

  • Stolz ist das Gegenteil von Scham.
  • Stolz ist eine Emotion, die einen Erfolg als besonders markiert und die darauf verwendete Energie und Leistung würdigt. Er ist damit eng verbunden mit der Freude als der Emotion der Werte-Erfüllung und Ziel-Erreichung.
  • Im Unterschied zur Freude, die sich auch auf andere als die selbst erbrachten Leistungen, Werte-Erfüllungen und Ziel-Erreichungen beziehen kann, ist der Stolz eine selbstreflexive Emotion, das heißt er ist ausschließlich auf seinen Träger fokussiert und spiegelt dessen Leistung wider.
  • Mit anderen Worten, man ist immer stolz auf etwas, das man selbst erreicht oder geschaffen oder zu dem man zumindest maßgeblich beigetragen hat

Kann man also stolz sein auf jemand anderen?

Lasst uns ehrlich mit uns selbst sein: Doch nur, wenn man sich einen großen Anteil an dessen Leistung selbst zuschreibt!

Stolz „funktioniert“ nur dann, wenn sein „Besitzer“ in irgendeiner Weise mittelbar auf das Erreichte eingewirkt hat.

Selbstverständlich kann zum Beispiel ein Fußballtrainer stolz auf seine Mannschaft sein! Was dabei aber gleichzeitig ausgedrückt wird, ist der Umstand, dass er sich einen großen Teil an der Mannschaftsleistung selbst zuschreibt.

Spürt mal in den folgenden Beispielen nach, ob es Euch so geht wie mir, nämlich dass der dort ausgedrückte Stolz sich zunehmend merkwürdig anhört beziehungsweise anfühlt:

  • Ich bin stolz auf meinen guten Studien-Abschluss.
  • Ich bin stolz darauf, alleine einen Marathon zu Ende gelaufen zu sein.
  • Ich bin stolz darauf, mit Hilfe meines Personal Trainers 15 Kilo abgenommen zu haben.
  • Ich bin stolz darauf, dass wir gemeinsam das Teamziel erreicht haben.
  • Ich bin stolz auf meine Kinder.
  • Ich bin stolz auf meine Mitarbeiter.
  • Ich bin stolz auf meine Regierung.
  • Ich bin stolz auf mein Land.
  • Ich bin stolz auf den Titel als Fußball-Weltmeister 2014.

Merkt Ihr etwas?

Geht es Euch nicht auch so, dass spätestens ab der Stelle mit den Kindern (bei denen die Eltern sich zumindest zu Gute halten – oder einreden – können, dass auch ein Teil ihrer Erziehung zu deren Erfolg beigetragen hat) der Stolz etwas merkwürdig klingt?

Drei abschließende Fragen, um die Festplatte vollends zum Rotieren zu bringen:

Ist es nicht so, dass Stolz, wenn er von mir auf erwachsene selbstverantwortliche Menschen angewendet wird, immer ein wenig dazu dient, mich zu erhöhen und den anderen ein wenig kleiner zu machen?

Motiviert mein Stolz auf meine Kinder oder Mitarbeiter diese tatsächlich zu höherer Leistung?

Worauf oder auf wen sind wir stolz und gestehen wir uns ein, dass beim Stolz auf jemand anderen immer auch ein wenig Eitelkeit mitschwingt?

Viel Vergnügen beim Nachdenken und herzliche Grüße aus dem emotional intelligenten Hauptquartier in München,

Euer Markus Hornung

PS:

Ich bin übrigens gerade eben tierisch stolz darauf, unter enormem Zeitdruck diesen Blogbeitrag alleine vollendet zu haben! 🙂

10 thoughts on “Noch eine Todsünde!
Stolz – aber worauf eigentlich?

  • Vielen Dank für den Blogeintrag! Dieser ist zwar schon ein bisschen her, dennoch würde ich gerne meine Gedanken dazu teilen, da es sich um ein interessantes Thema handelt.

    Ich traf auf diesen Artikel, als ich von einem flüchtigen Briefbekannten ein ,,Ich bin stolz auf dich“ gehört habe. Dies verwirrte mich und so begann ich meine Recherche.

    Stolz ist meiner Meinung nach, ein Mittel um seinen eigenen „Wert“ zu steigern oder sich dessen bewusst zu machen. Stolz auf andere zu sein würde also bedeuten, wie Sie bereits schrieben, ,,Diese Person hat meine Anerkennung verdient und erreichte etwas, was ich ebenfalls gerne erreicht hätte/erreichen würde“. Personen die Stolz besonders für andere/s empfinden, brauchen eine Bestätigung und etwas, womit sie sich „wertvoll“ fühlen. Natürlich besitzt jeder und jede den selben Wert, doch ab und zu bringen Unsicherheiten dieses Gemeinschaftsgefühl ins wanken. Dessen sollte sich jedermann bewusst sein, wenn man dieses Wort in den Mund nimmt.

    Mein Bekannter (übrigens ein sehr verunsicherter Mensch) empfand Stolz für meine Leistungen und schrieb meine für ihn bemerkenswerten Taten auch auf seine Rechnung. Stolz ist zurecht eine der sieben Todessünden, denn dieser und Neid trennt nur eine schmale Grenze.

    Stolz füttert das eigene Ego. Leute die Stolz und Anerkennung (von anderen) anstreben, besitzen ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl.

    Wenn Sie (oder andere) meinen Kommentar lesen sollten, danke ich für Ihre Zeit! Ich freue mich auf jeden Kommentar.

    Mit freundlichen Grüßen
    Mira

  • Ich habe systematisch etwas gegen die Aufmachung des Artikels, denn die Art und Weise Emotionen zu beschreiben ist meistens komplizierter als ein Wort.

    Wenn ich sage, dass ich stolz auf die Leistung einer anderen Person bin, dann heißt es für mich, dass ich die Leistung der Person respektierte, mich für die Person freue und ich der Person Anerkennung zeige.

    Wenn ich stolz auf meine eigene Leistung bin, dann ist das ganz anders. Sagen wir ich bin stolz darauf endlich produktiver zu sein. Dann heißt es, dass ich mich über meine Leistungen freue, ich mich selbst anerkenne und mich selbst für vorbildlich halte.

    Man kann unterschiedliche Gründe haben Stolz zu fühlen, und was jeder selbst fühlt ist nicht unbedingt immer Stolz nach der Definition des Dudens oder der des nächstbesten Philosophen.

    Es ist zwar ganz toll, dass du versucht hast jedem Menschen die Definition von Stolz aufzudrücken, aber ich glaube nicht, dass das eine gute Methodik ist um dieser Frage zu begegnen.

    Am Anfang sind in Stichpunkten deine Grundbedingungen für deine Aussagen aufgelistet. Darin steht bereits deine Konklusion.

    Ich fasse also zusammen:

    Du argumentierst mit der Definition eines Wortes, welches komplexe Emotionen vereint und niemals der reinen Definition entspricht,
    du suggestierst, dass Beispiele unvernünftig klingen, du gehst nicht auf Grenzfälle ein oder nutzt Beispiele die geläufiger sind (voller Stolz betrachteten die Eltern das Trompetenspiel ihrer Kinder).

    Natürlich war dein Artikel nicht als Erörterung zu verstehen und hat nur die Form eines Stichel den Kommentars, aber damit so zu tun, als wäre dies das Ende der Diskussion ist echt schlechte Arbeit.

    Viel mehr solltest du dir die Fragen stellen, was meinen Menschen damit wenn sie sagen, dass sie Stolz sind.

    1. Lieber Vincent,
      herzlichen Dank für Deinen Kommentar.
      Ich freue mich, dass dieser Artikel so lange Zeit nach seiner Veröffentlichung noch die Aufmerksamkeit interessierter Leser findet.
      Du lieferst da unter anderem einige bemerkenswerte Ausführungen, die sicher dazu beitragen, den Begriff Stolz (der wie Du vollkommen richtig erkannt hast, ein komplexer ist) weiter zu verfeinern und zu differenzieren … und selbstverständlich respektiere ich Deine Interpretation desselben. Wenn der Artikel Dich in diesem Sinne dazu gebracht hat, darüber nachzudenken, hat er sein einziges Ziel erfüllt.
      Was ich offen gesagt inhaltlich nicht verstehe und einordnen kann, ist die gegen Schluss von Dir verwendete und mir gänzlich unbekannte Formulierung „nur die Form eines Stichel den Kommentars“.
      Deine Einschätzung „echt schlechte Arbeit“ nehme ich mit dem Ausdruck des Bedauerns zur Kenntnis … ich werde mich – sei dessen versichert – um (Ver-)Besserung bemühen.
      Freundliche Grüße,
      Dein Markus Hornung

  • Hallo Markus, auch wenn dein Blogeintrag schon etwas älter ist, möchte ich trotzdem hier noch meine Anmerkung dazu schreiben. Da eine Kollegin heute zu mir sagte, dass sie stolz auf mich wäre, hat sich danach eine heftige Diskussion entfacht. Ich bin auch der Meinung, dass sie auf mich nicht stolz sein kann, wenn ich gute Arbeit leiste ohne fremdes Zutun. Aus diesem Grund habe ich mal recherchiert und die Suchmaschine hat mich hierher geschickt. Also ich kann deinem Eintrag komplett zustimmen und finde deine Auflistung mit den Beispielen sehr gut. Die werde ich, bei der nächsten Diskussion über Stolz mal anbringen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis ein Nach- und vielleicht auch Umdenken stattfindet.

    1. Hallo Stefan,
      vielen herzlichen Dank für Deine Rückmeldung, ich freue mich, dass wir da ähnlich ticken und ich Dir ein wenig moralische Unterstützung liefern konnte. Das Thema ist in der Tat etwas heikel, weil natürlich auch einige Menschen (von Eltern über Vorgeswetzte bis zu Freunden) dieses „Ich bin stolz auf dich!“ tatsächlich als aufrichtig gemeintes Kompliment verwenden, ohne sich klarzumachen, was da auf einer tieferen Ebene transportiert wird. Lass uns mit denjenigen, die sich damit nicht bewusst überhöhen wollen, nicht allzu hart ins Gericht gehen, ich für meinen Teil bin schon froh, wenn sich die Anzahl derjenigen vergörßert, die solche Formulierungen aus eigener Einsicht nicht mehr verwenden, nachdem die darauf aufmerksam gemacht wurden.
      Einen Streit oder gar Glaubenskrieg – und beides war durchaus mal meine eigene Strategie in solchen Diskussionen – würde ich deshalb nicht mehr anzetteln. 🙂

      In diesem Sinne noch einen möglichst friedlichen Austausch zum Thema Stolz,
      Dein Markus

  • Es stimmt schon, dass man sich eine Verbindung zu der Person zuschreibt, auf die man Stolz ist. Schließlich erfüllt es mich selbst mit Stolz- ergo muss mir der Erfolg selber nahe gehen. Aber muss ich dafür dieser Person, die etwas geleistet hat, gegenüber erhaben sein? zB: Stolz auf meine Eltern… Dafür, was für menschen sie sind, was sie mir im Leben mitgegeben haben,… Kann Stolz nicht einfach die Kombination aus Respekt an einer Leistung und gleichzeitiger Freude darüber für sich selbst sein?
    Stolz auf einen geliebten Menschen zu sein beinhaltet dann doch eher Dankbarkeit darüber, mit dieser Person verbunden sein zu können. Ganz ohne sich selber die Lorbeeren dafür aufzusetzen

    1. Danke für den Beitrag.
      Der Vorschlag oder die Idee geht ja eben in die Richtung, Stolz für sich selbst und seine Leistungen zu „reservieren“ und im Bezug auf andere zum Beispiel Dankbarkeit zu zeigen. Nach dieser Idee ist Stolz so etwas wie die Dankbarkeit mir selbst gegenüber. Außerdem fällt es – und deswegen wird es vermutlich so selten gemacht – schwerer, zu sagen „Ich danke Dir!“ als „Ich bin stolz auf Dich!“ Ich für meinen Teil bin nicht stolz darauf, was meine Eltern für Menschen sind, sondern dankbar dafür. Nach diesem Vorschlag sind Stolz und Dankbarkeit unterschiedliche Emotionen mit unterschiedlichen „Zielgruppen“ …

  • Das spricht mir aus dem Herzen! Wie kann eine Dumpfbacke, die nie etwas Wichtiges für die Gemeinschaft geleistet hat, auf sein Land stolz sein, nur weil es einen Goethe, einen Gutenberg oder einen großen Staatsmann hervorgebracht hat? Das ist Schmücken mit fremden Federn, Mitreiten auf den Erfolgen anderer.

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