Hallo und Servus aus München!
Es kommt selten vor, aber manchmal eben doch: Ich sitze in einem Meeting, welches ich nicht selbst moderiere.
Neulich hatte ich diese Situation einmal wieder und habe selbst erlebt, wie anstrengend es sein kann, wenn der Moderator Diskussionen laufen lässt, obwohl wir inhaltlich abschweifen. Die einen nutzten den Raum, um mal eben alle Fragen loszuwerden, die sie dem Meeting-Leiter stellen wollten. Die nächsten ergriffen die Gelegenheit, ausführliche Erfahrungen und Ideen zu Punkten einzubringen, die längst entschieden waren. Und weitere Teilnehmende wirkten abwesend (offensichtlich anderweitig beschäftigt) oder genervt, ohne konstruktiv zur Veränderung der Diskussion beizutragen.
Kommt Dir das bekannt vor? Bist Du selbst führend unterwegs und kannst Dich vielleicht sogar in den eben beschriebenen Meeting-Leiter hineinfühlen?
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass gutes Moderieren in einer dynamische Balance aus Intervenieren und Raum halten besteht. Das sind beides Fähigkeiten, die auch gute Führung ausmachen. Und ich erlebe viele Führende, die sich schwer damit tun, rechtzeitig, emotional intelligent und wirksam zu intervenieren.
Was hindert Dich daran zu intervenieren?
Egal, ob im Gespräch zu zweit oder im Meeting in größerer Runde oder in der persönlichen Entwicklung eines Mitarbeitenden – äußerst selten erlebe ich Führende zu früh intervenierend. Auch in der Kollegialen Beratung stellen wir immer wieder fest: Laissez Faire in der Führung ist erstmal einfacher, führt aber eben nicht dazu, dass sich Mitverantwortung im Sinne des großen Ganzen entwickelt.
Was hält Dich im Zweifelsfall ab, zu intervenieren? Folgende Hintergründe haben wir identifiziert:
- Du weißt nicht, WIE Du wirksam intervenieren könntest.
- Du denkst, das könnte erzieherisch wirken und das widerspräche doch jeglicher Form moderner Führung.
- Du denkst, die Leute müssen das doch langsam selbst merken und sich entsprechend verhalten, dann regelt sich das schon von selbst.
- Du merkst es selbst gar nicht, dass die Stimmung kippt. Es wird Dir erst im Nachhinein bewusst, weil von der einen oder dem anderen Mitarbeitenden zurückgespiegelt.
Sollte Dir einer dieser hinderlichen Glaubenssätze bekannt vorkommen, dann ist der erste Schritt, davon loszulassen, schon gemacht: Du bist Dir bewusst, dass dieser Gedanke/ diese Brille nicht hilft.
Für die Frage nach dem WIE habe ich ein paar Ideen für Dich:
Wie führst Du emotional intelligent zum Thema zurück?
Es gibt ein paar Sätze, die solltest Du so oder ähnlich in jedem Gespräch, in jedem Meeting parat haben:
- „Okay, wir schweifen ab, lass uns mal wieder zum Thema zurückkommen: Die Frage war, …“ → Ebene wechseln (vom Inhalt zum Prozess) und mit klarer Leitfrage zum „richtigen“ Inhalt zurückkehren.
- „Ich merke, es gibt noch andere Themen, die Euch beschäftigen. Lasst uns die mal festhalten. Wann besprechen wir die am besten?“ → Visualisieren (Würdigen!) und konkret (mit Terminvereinbarung!) auslagern.
- „Danke für Deine ersten Gedanken zu diesem Thema, XY. Wer will JETZT DAZU noch mehr hören?“ … Hand heben (Vormachen) und prüfen, wer noch die Hand hebt. „Ok, das betrifft gerade die wenigsten hier, lass uns das auslagern. Unsere Frage jetzt und hier ist: …“ → Gruppen-Dynamik nutzen, falls sie Deine Absicht unterstützt.
All diese Interventionen kannst Du auch verwenden, wenn Du „nur“ teilnehmend bist: “Ok, Ihr Lieben, dazu kann ich gerade nichts beitragen. Könntet Ihr das zu einem anderen Zeitpunkt klären? Ich würde mich freuen, wenn wir wieder zu unserem gemeinsamen Thema zurückkehren. Wem geht es ähnlich?“
Wie sorgst Du prophylaktisch für Gesprächs- und Meeting-Effizienz?
Um dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt, kannst Du viel im Vorfeld tun. Für mich gehört an den Anfang jedes Gesprächs, jedes Meeetings, jedes Workshops ein klarer Zeit- und Zielrahmen. Manchmal verteile ich die Verantwortung für das Einhalten dieses Rahmens direkt an die Teilnehmenden (hilft Dir vor allem, wenn Du selbst wissentlich eher kein so gutes Gespür für langsam steigende Gereiztheit oder Boreout hast).
Hier ein paar Frames, die ich sehr schätze, weil sie spätere Interventionen erübrigen oder deutlich erleichtern:
- Zeit- und Ziel-Rahmen setzen, Mandat zur Intervention einholen: „Prima, wir haben uns heute für 60 min verabredet und wollen in der Zeit 3 Fälle klären. Damit das gut klappt, würde ich gerne gleich starten und zwischendurch intervenieren, wenn wir uns verzetteln. Einverstanden?“
- Klare inhaltliche Fragen stellen (visualisieren!) und durch Prozessfragen für Effizienz sorgen: „Was wissen wir hier über den Einsatz von KI im Marketing?“ „Bitte fasst Euch kurz, wir wollen uns einen ersten Überblick verschaffen, bevor wir Ideen sammeln und eine Strategie für uns entwickeln. – Wer fängt an? – Okay, Markus, leg los.“ … Markus spricht … „Danke, Markus. Wer macht weiter?“
- Die Rollen Zeitwächter und Spanner delegieren: „Ihr Lieben, wir wissen, dass ich gerne als Letzte merke, wann es Zeit für eine Pause wäre oder dafür, einen Gang hochzuschalten. 😉 Damit wir hier stringent durchkommen, ohne irgendwen zu verlieren, wünsche ich mir 2 Teilgeber: Wer gibt angemessene Zeiten vor und interveniert, wenn wir uns inhaltlich verzetteln oder abschweifen oder wiederholen? Und wer hat das Ohr an der Schiene und gibt mir einen Hinweis, wenn irgendwer abwesend oder genervt wirkt, so dass wir alle Perspektiven sicher auf den Tisch bekommen und gegebenenfalls spontan aufkommende Themen kurz bearbeiten oder sinnvoll auslagern?“
In Führungs-Trainings verteile ich die Verantwortung für die Gruppendynamik mit Hilfe dieser beiden Rollen grundsätzlich gerne in der Gruppe, um nebenbei den Interventions-Muskel meiner Teilnehmenden zu trainieren. In Führungs-Teams, bei denen wir die Methode der kollegialen Beratung institutionalisiert haben, übernehmen Führende regelmäßig die Rolle des Moderators unter Kollegen – ebenfalls eine phantastische Möglichkeit, den dynamischen Wechsel aus Raumhalten und Intervenieren zu üben!
Und wie stoppst Du Energiegullis, Minderleister, Dauernörgler?
Die erfolgskritischsten Momente, in denen Führungs-Interventionen gefragt sind, sind die, in denen sich Mitarbeitende für alle spürbar anders entwickeln als im Sinne des Unternehmens oder weniger leisten als vertraglich vereinbart oder gar Bühne oder Meeting nutzen, um einmal alles so richtig schlecht zu machen. Gerade in solchen Momenten erleben wir zu viele Führende zögerlich und eher mit Samthandschuhen unterwegs als klar und konsequent.
Hier mag ich gerne Tobias Knoof zitieren, der Zitate für Unternehmer sammelt und treffend kommentiert:
„Bauen Sie in Ihrem Team einen magischen und leistungsstarken
Gruppen-Mythos auf und zeigen Sie Nörglern gegenüber nicht
die geringste Nachsicht.“
Auch das kann ich nur unterstreichen! Man denke nur an einen „faulen Apfel“, der alle anderen in Mitleidenschaft zieht. Als Führungspersönlichkeit müssen Sie dafür sorgen, dass Ihr Team frei von Nörglern, Pessimisten und Besserwissern bleibt. Andernfalls werden Sie kaum ein schlagkräftiges Team aufbauen können.
Diese „faulen Äpfel“ sind immer wieder Thema in unseren Kollegialen Beratungen. Und ich mag hierzu gerne eine Szene und einige Sätze teilen, die Dich vielleicht in den richtigen Zustand versetzen, um eine gute Intervention für Deinen eigenen Fall zu formulieren.
Stell Dir vor, Du machst mit Deiner Vertriebsmannschaft ein Review und Ihr teilt die besten Stories des Gelingens. Da ergreift ein Gruppensprecher das Wort und teilt nicht die beste Story seiner Gruppe, sondern nutzt stattdessen die Gelegenheit in großer Runde, sich über die „unzumutbaren Ziele“ zu echauffieren.
„Stopp!“ – Pause. „Geben Sie das Mikro bitte weiter an Ihren rechten Nachbarn.“ – Pause. „Wir teilen hier beste Stories des Gelingens, um voneinander zu lernen. Rechter Nachbar, wie lautet die beste Story Ihres Tisches?“
Für mich ist das erste Wort entscheidend. „Stopp!“ Das lernen die Kinder im Kindergarten!!
Und die Pause danach. – Die dieses erste Wort nochmal betont.
Manchmal reicht diese Kombination schon zur Unterbrechung. Und um mir einen KURZEN Nachsatz zu überlegen!
Solche Momente kommen meistens überraschend. Es ist auch nicht so, dass es mir jedemal gelänge, rechtzeitig zu intervenieren. Aber diese Momente zu reflektieren, in denen ich zu spät reagiert habe, hat mir geholfen, immer seltener sprachlos zu sein.
Bleiben wir bei der vorgestellten Szene… Ein solcher Versuch, einen von Dir geöffneten Kommunikationsraum zu missbrauchen, BRAUCHT ein Nachwort unter 4 Augen:
„Ich will Menschen, die so negativ unterwegs sind, wie Sie das gestern waren, nicht in meiner Mannschaft haben. Im Moment stehen Sie auf dem Gang. Und Sie haben jetzt die Möglichkeit, sich zwischen 2 Türen zu entscheiden: wählen Sie die Tür mit uns, erwarte ich konstruktive Beiträge von Ihnen – ob in Worten oder Zahlen. Wenn Sie weiterhin so unterwegs sein wollen wie gestern, gibt es für Sie die andere Tür – nach draußen. Entscheiden Sie sich.“ – Pause. Blick halten.
Noch zu viele Führende trauen sich nicht, so zu formulieren. Und das einfach mal stehen zu lassen.
Was, wenn er dann zum Betriebsrat geht?
Ja, was dann? Was soll dann passieren? Was könnte man Dir vorwerfen?
Wenn Du besorgt bist und Dich das von Deinem konsequenten Nachwort abhält, dann sprich DU vorher mit dem Betriebsrat. Erzähle, worum es geht, und kündige an, was Du vorhast. Die wenigsten Betriebsräte verstehen sich als Vertreter von faulen Äpfeln. Und auch Dein Chef wird Dir nicht in den Rücken fallen, wenn er von Dir auf eine mögliche Ansprache Deines Mitarbeitenden vorbereitet wird.
Aber vor allem – warte nicht!! Interveniere sofort und setze gleich hinterher. Die Wirkung des SOFORTs kannst Du später nicht mehr ersetzen.
Stärke Deinen Interventions-Muskel!
Ich möchte abschließend klarstellen, dass keine der angebotenen Formulierungen erfunden ist. Sondern dass ich sie entweder selbst erfolgreich angewendet habe oder Führungskräfte erleben durfte, die genau so aufgetreten sind. Mit entsprechender Wirkung. Vielleicht erkennt sich der eine oder die andere wieder😉. Danke für Eure vorbildlichen Auftritte!
Und ganz am Ende geht es natürlich darum, nicht immer nur zu intervenieren, sondern eine gute Balance hinzubekommen zwischen Intervenieren und Raumhalten. Wie und mit welchen Methoden sich Kommunikationsräume gut öffnen und halten lassen, werde ich gerne demnächst in einem weiteren Post teilen. Bleib gespannt!
Jetzt wünsche ich Dir erst einmal viele Gelegenheiten, Deinen Interventions-Muskel zu trainieren und grüße Dich ganz herzlich aus dem emotional intelligenten Hauptquartier in München,
Deine Sabine
Liebe Sabine, du hast mir einen super Impuls für einen tollen Tagesbeginn und für künftige Meetings geliefert. Herzlichen Dank dafür! Liebe Grüße Peter